|
|
|
Das Szenario
|
|
|
Der Name Schweinfurt, wie bekannt,
hat bei uns im Frankenland
einen ganz besond´ren Klang.
Einmal im Zusammenhang
mit der großen Industrie -
wir nehmen an, das wissen Sie;
und zweitens, wie könnt´s anders sein,
mit dem Borstenvieh, dem Schwein,
das man, wie Chronisten schrieben,
einst hier durch die Furt getrieben. |
Über die Furt kam das Schwein. Es gab der Stadt
den Namen und Schweinfurt etwas ganz Spezielles - die Original
Schweinfurter Schlachtschüssel.
Die Schweinfurter Schlachtschüssel ist ein etwas derber,
aber zweifelsohne schöner und beliebter Brauch, der auf
eine über 100jährige Tradition zurückblickt. Um
die Jahrhundertwende wurden noch überall "öffentliche
Schlachtschüsseln" abgehalten. Heute trifft man sich
bei geschlossenen Veranstaltungen, um diese "edle Schmauserei",
die sich über Stunden hinwegzieht, zu genießen.
|
|
|
Was
ist anders?
Es geht weniger um eine Spezialität - Gekochtes vom frisch geschlachteten
Borstenvieh gibt es auch anderswo -, als um die Art und Weise, wie das Essen
zelebriert wird.
Geschlachtet wird ein Schwein oder zwei. Und so geht´s zu: urwüchsig,
aber kultiviert. Es gibt keine Teller, aber Besteck. Blank gescheuerte Holzbretter überdecken
die gesamte Tischplatte. Zuerst gilt es, die Beigaben planmäßig vorzubereiten.
Kerniges Bauernbrot wird mundgerecht in kleine Würfel geschnitten und am
Essplatz gestapelt (Abbeißen von der ganzen Brotscheibe wäre die erste
große Schlachtschüsselsünde). Salz, Pfeffer und Kren (Meerrettich)
häufelt man einsatzbereit vor sich auf. Dazu gesellt sich dampfendes Sauerkraut,
von dem sich jeder ebenfalls einen "Schlag" zur Umrahmung seines "Schlachtfeldes" aufschichtet
(nicht zu viel auf einmal; keine Sorge, es kommt immer wieder heißes nach).
Nun wird es ernst!
Ungeduldig trommeln die Hungrigen mit Messer
und Gabel auf die Holzbretter. Falls das Fleisch den richtigen Biss hat,
ist dies das Signal für
den Metzger. Schnell schleppt er dampfende Kessel an und schneidet vor
den Augen der begierig Wartenden in Windeseile die Fleischstücke in dünne
Scheiben.
Flinke Helfer tragen diese sogleich auf Platten zu den Tischen und laden
das Fleisch inmitten der Bretter ab. Das Originelle dieses handfesten Mahles
ist
es nämlich, dass nicht jedem Gast eine eigene Portion vorgesetzt
wird; er ist gehalten, ungeniert und nach Herzenslust die Fleischberge abzuarbeiten.
Dabei muss nicht alles gegessen werden. Was zu fett ist, wird weg geschnitten,
zur Seite geschoben und immer wieder abgetragen.
Das Bauchfleisch, mehrmals frisch serviert, bildet den Auftakt. Viele, die
es sonst niemals essen, schwören darauf, dass es das Beste von der
Schlachtschüssel sei. Nach der Regel "vom fetten zum mageren Fleisch" folgen
Stich, Backe, dann Bug und Kamm.
Anschließend ist eine längere Pause angesagt, auf die vor allem
die Raucher warten; denn Rauchen ist bei einer Schlachtschüssel, solange
Fleisch auf den Brettern liegt, streng verpönt.
Lustige Schlachtschüssel-Lieder
fördern derweil die Verdauung und
machen bereit zum "weiteren Gefecht". Wer jetzt schon satt ist,
wird das bedauern, denn die Schmankerl kommen ja noch. Schlachtschüssel-Strategen
schätzen Kopffleisch, Rüssel, Ohren. Experten geraten bei Zunge,
Herz, Nieren, Magen und Bries in Begeisterung.
Getrunken wird Most oder Wein. Bier gilt eigentlich als weitere Schlachtschüsselsünde.
Dagegen kann ein kräftiger Zwetschgenschnaps zur Halbzeit, zwischendurch
oder zum guten Schluss den strapazierten Magennerven nicht schaden.
Er hängt!
Verwirrt von der Verwegenheit fränkischer Gastronomie und erwärmt
von der Weinseligkeit braucht der Neuling Zeit, um aus dem steigenden Stimmenschwall
und Gelächter ringsum herauszuhören: "Er hängt!"
Die Sache bleibt dem Fremdling noch rätselhaft, wenn er selbst schon "angesteckt" ist.
Von einem sechsten Sinn geleitet, ertastet er an schwer erreichbarer Stelle
etwas Kaltes, Glattes, Haariges.
"
Er hängt!", johlt der ganze Saal. Das "Säuschwänzle" nämlich.
Wer meint, das sei es gewesen mit der Schweinfurter Schlachtschüssel,
der irrt sich. Die Holzbretter samt Besteck und Überbleibsel sind inzwischen
abgetragen, die Tische haben sich wieder in den "Normalzustand" verwandelt.
Kaasplootz als Kontrastprogramm
Mit Gesang und nötigen und unnötigen Reden (oder einem kleinen Verdauungsspaziergang)
ist es nun Zeit für ein "Kontrastprogramm". Es gibt Kaffee,
hausgemachten Streuselkuchen und Kaasplootz (Käsekuchen vom Blech).
Zum Schluss ein Fresspaket
Früher werkelte der Metzger derweil in der Wurstküche, um aus dem,
was vom Schwein übrig blieb, mit Gewürzmischungen nach eigenem Geheimrezept
frische "Laber- und Griefewörscht" zuzubereiten, um diese den
Gästen mit auf den Nachhauseweg zu geben. Neuerdings werden diese Wurstwaren
bereits an den Vortagen in der eigenen Wurstküche erstellt oder man verzichtet
ganz auf dieses Fresspaket.
Is(ß)t so der Schweinfurter?
Eine Original Schweinfurter Schlachtschüssel verrät kaum, wie der
Schweinfurter wirklich isst.
Einiges freilich davon, wie er ist: Derbfröhlich in einer spektakulären
Weise und bei weltoffenem Kopf im Herzensgrund ein genussfreudiger Lebenskünstler
von bäuerlicher Tradition.
Eine Schweinfurter Schlachtschüssel muss man erlebt haben.
|
|